Usus simplizissimus II
Wie viele Wipfel hab ich schon erklommen
in meinen Kindertagen
ich hab die besten Tricks ersonnen
die mich von Ast zu Ast getragen.
Ich schwebte schwerelos in meinen Welten
und war so stark und mutig zu der Zeit
das Leben unten, daß ließ ich nicht gelten
es war für mich nur Last und Leid.
Es sind noch alle Finger da
um einen Ast zu fassen
und heute dämmerts langsam ja
dass das vielleicht nur Zufall war.
Unzählige Höhlen habe ich gegraben
stets sie so gut ich konnt` bedeckt
schlug mir mal etwas auf den Magen
hab ich mich flugs darin versteckt.
Hab sie als Wohnung eingerichtet
mich darin immer stark gefühlt
die erste Zeilen schon gedichtet
und später wieder neu gewühlt.
Noch atme ich mit aller Kraft
nie hat das Erdreich mich verschüttet
ob das denn wohl der Zufall schafft
nein – etwas hat mich da behütet.
Auf dünnem Eis bin ich gelaufen
am Silbersee zu jener Zeit
wie leicht konnt ich dabei ersaufen
für allen Blödsinn stets bereit.
Als Mutprobe Wilhelms Messer zerstört
und heftige Prügel bezogen
hab alle Englein singen gehört
auch diese Geschichte ist nicht gelogen.
Mein Rückgrat ist trotzdem noch grad`
hab keinen Schaden dabei genommen
ich bin ganz sicher – in der Tat
Du Zufall – warst mir gut gesonnen.
Wie oft hab ich schon Glück gehabt
in schnellen Kurven ohne Zahl
auch wenn der Leichtsinn zugeschnappt
ging`s gut so manches mal.
Die Kreidler und Hannes mit 17 Lenzen
bei Möselerin den Dreck geflogen
ich glaubte, es gäb` keine Grenzen
die Steine sind Zeugen im Ellenbogen.
Es sind noch beide Arme dran
und Glück alleine schafft das nie
damit ich Bäume schleppen kann
weil jemand seine Hand mir lieh.
Bin mehrfach um die Welt gefahren
an jedem Tag ein Stück davon
in mehr als 35 Jahren
bringt`s heute wohlverdienten Lohn.
Es hat mir immer Spaß gemacht
das Fahren und Verkaufen
und hab` so manches mal gedacht
heut` ist es gut gelaufen.
Mein Kopf ist oben – ohne Schaden
auch das hat einen tiefen Grund
drum nutz` ich ihn nicht nur beim Baden
und danke heut, dass er gesund.
Wie gern hab ich den Ball geschossen
ins Tor und auch daneben
hab jedes Spielchen sehr genossen
doch zuviel Einsatz den bestraft das Leben.
Bei einem Sprint zum steilen Ball
der Gegner streckt das Bein heraus
es folgte ein Zusammenprall
das hielt das Schlüsselbein nicht aus.
Doch meine Schulter ist noch heile
und außerdem ist`s Kläuschen zähe
und mir wurd` klar nach einerWeile
Du warst in meiner Nähe.
Der Leopard ist ein gefährlich` Tier
zumal wenn er aus Eisen
in Lüneburg begegneten wir Dir
wir hielten neben den Geleisen.
Der Panzer dröhnte in das Tal
wir standen rechts am Rand
die Straße die war viel zu schmal
er riss uns ab die blechne Wand.
Der Schreck der fuhr uns in die Glieder
doch meine Hüfte ist noch da
glaubst Du vielleicht schon wieder
dass auch dies ein Zufall war.
Wie viele Bäume hab` ich schon gefällt
um meinen Wald zu pflegen
damit man ihn gesund erhält
mit Deinem reichen Segen.
An kalten Tagen sein Holz uns wärmt
mit flackernden Flammenzungen
gemütlich ist es, dass man schwärmt
ein fröhlich Lied gesungen.
Die Arme sind noch beide da
ich kann noch damit sägen
auch diesmal ist es sonnenklar
. . .gibt`s nix zu überlegen.
Bei Sturm da hab ich stets gezittert
vor allem wenn er heftig war
ich hab ihn meilenweit gewittert
daraus entstand ein Windverhältnis gar.
In Emsdetten hat er den Atem mir genommen
vor Angst auf dem Weg von Ahlers nach Haus
doch hab ich den Lauf gegen den Sturm gewonnen
nachhaltige Wirkung hats hinterlassen bei Klaus.
Heut`werd`ich bei Stürmen immer ganz klein
und freu`mich, dass ich noch lebe
so kehrt die Demut bei mir ein
Du Deinen Schutz mir gebe.
Ich glaubte immer, ich wär schlau
und wüsste allesganz genau
doch Dissektion hatt ich nie gehört
das hat mich lange nicht gestört.
Auch Arteria carotis war mir neu
und davon gibt es sogar zwei
die hab ich früh und spät dabei
das war mir bisher einerlei.
Die eine, das ist wunderbar
ist heute für die andere da
es gibt nur einen – der ist weise
gab beide mir für meine Reise.
Die Läufchen sind ein Teil von mir
in jeder Lebenslage
auch heute lauf ich neben Dir
wie fast an jedem Tage.
Die Füße sind wie stets bereit
mit mir im Wald zu schweben
und so erzähl` ich`s laut Dir heut
Du hast mich oft getragen.
Das ist mein Lebenslauf
Du lässt mich nicht verderben
ein letztes mal fängst Du mich auf
ich will beim Laufen sterben.