Kunstwerk des Monats in der Erpho-Kiche Münster vom 23. August bis 20.September 2020
Ausstellung der Lindenskulptur „Vergänglichkeit“

Eröffnung Sonntag 23.August 2020 12.30 Uhr

LESEN UNTER LINDEN am Prozessionsweg in Münster

Sonntag, 11. Mai 2020 zwischen 15 und 18 Uhr

Prozessionsweg /Ecke Skagerrakstrasse

Seit vielen Jahren steht er da, gegenüber der fünften Kreuzweg-Station am Prozessionsweg: der stählerne Briefkasten.
„Für Briefe an Gott“, so heißt es auf seiner Inschrift. Von Menschenhand sei er nicht zu öffnen, aber seine Leerungszeiten sind „augenblicklich“.
Diese Skulptur, die der Kunstschaffende, Autor und Ideengestalter, wie sich der Roxeler Klaus Wethmar selbst nennt, 2008 am Pro-zessionsweg in unserer Pfarrgemeinde errichtete, lädt uns zum Dialog ein. Und der findet wahrlich statt. Immer wieder gibt es Menschen, die einen beschriebenen Zettel einwerfen, zugleich aber andere, die diese Form von materialisierten Gebeten ablehnen und gar in Leserbriefen an die Zeitung als kleingeistigen Volksglauben abtun.
Für die Initiative Prozessionsweg e.V. ist gerade diese widersprüch-liche Wirkung des „Briefkastens“ der Anlass, sich mit einer Veranstaltung näher mit ihm und seiner Intention auseinander-zusetzen.

Am Nachmittag des 18. Septembers 2016 werden Interessierte, Kinder, Jugendlichen und alle Junggebliebenen, eingeladen, im kreativen Umgang mit der Skulptur für sich selbst schriftlich-literarische Ausdrucksformen für Kontemplation und Gebet oder anderes zu entdecken.
Um den Briefkasten herum werden verschiedene Schreibstationen aufgebaut, an denen man sich schreibend und formulierend der Umgebung am Prozessionsweg, seiner Geschichte, der Kontem-plation sowie Gott oder auch seinem eigenen Innern nähern kann. Ganz im Sinne von Max Frisch: „Schreiben heißt: sich selber lesen“.
Erfahrene Vermittler im kreativen Schreiben sowie überraschende Ideen werden den eigenen Gedanken auf die Sprünge helfen. Denn wo sonst, wenn nicht in dieser besonderen Atmosphäre an der Lindenallee, an seinen lauschigen Plätzen im Schatten der Bäume, im Gras oder an Tisch und Stühlen sind die Gedanken frei und der Genius kann fliegen…..
Ein „Coffeebike“ sowie Kuchen-und Limonadenstände sorgen für das leibliche Wohl,
Gitarrenmusik für zusätzliche Inspiration.

Am 20. und 21. August 2016 findet die 10. Daruper Landpartie im besagten Ortsteil von Nottuln statt.

Die „Daruper Landpartie“
Schon neunmal hintereinander hat sie
von 2007 bis 2015 stattgefunden und erfreut
sich nicht nur im Ort, sondern auch
in der Region und darüber hinaus einer
stetig steigenden Beliebtheit: Die „Daruper
Landpartie“ versammelt an einem
Wochenende im August an zahlreichen
Orten des Dorfes Darup verschiedene
Künstlerinnen und Künstler mit ihren unterschiedlichen
Werken. In der wunderbaren
Landschaft der Baumberge verbinden
sich Kunst, Kultur und Kulinarisches zu einer
anziehenden Einheit.
Im Laufe der Jahre hat sich die „Daruper
Landpartie“ erweitert. Die Zahl der
ausstellenden Künstlerinnen und Künstler
wuchs ebenso wie die Zahl der Ausstellungs-
und Veranstaltungsorte. Interessante
Rahmenprogramme traten hinzu – und
zur Freude aller wuchs auch die Zahl der
Besucherinnen und Besucher.
Ganz bewusst ist die „Daruper Landpartie“
keine kommerzielle Veranstaltung.
Die emotionale Begegnung mit Kunst, die
Begeisterung für das Musische und das persönliche
Erleben stehen im Vordergrund.
Viele private Gärten und Räume und
auch Einrichtungen bieten eine gastfreundliche
Bühne, auf der Künstler ihre
Werke und kreativen Aktivitäten vorstellen
können.
Rahmenprogramm
Samstag, 20. August 2016
14 – 18 Uhr (an verschiedenen Orten)
Friedhelm Becker und der Historische Verein
Nottuln: „Hilfe, die Preußen sind unter uns“
15 Uhr (Ort: 5 – Kirche)
Förderverein Ss. Fabian u. Sebastian: Führung
15:30 Uhr (Ort: 5 – Kirche)
Einweihung der neuen Bänke an der Kirche
Sonntag, 09. August 2016
11 – 18 Uhr (an verschiedenen Orten)
Friedhelm Becker und der Historische Verein
Nottuln: „Hilfe, die Preußen sind unter uns“
12 – 14 Uhr (an verschiedenen Orten)
Der Fanfarenzug Buldern spielt in Darup
14:30 und 16:30 Uhr
(Ort: 10 – Naturschutzzentrum, großer Raum)
„Mit Bäumen kann man wie mit Brüdern reden“
– Texte von Klaus Wethmar, vorgetragen
von Hannes Demming (Regisseur und Schauspieler)
15 Uhr (Ort: 5 – Kirche)
Förderverein Ss. Fabian u. Sebastian: Führung
15:30 Uhr (Ort: 5 – Kirche)
Konzertante Kirche: Lisa Trentmann (Sopran),
Verena Schürmann (Orgel) – Werke von Haydn,
Fauré und Rutter
www.daruper-landpartie.de
www.FACEBOOK.com/DARUPERLANDPARTIE
Künstlerinnen und
Künstler bei der
10. Daruper Landpartie
2016
Marina Ackermann: Acrylbilder in Spachteltechnik 11
Marion Albrecht: Temperagouache-Malerei 8
Prof. Bernd Altenstein: Bronzeskulpturen 2
Martin Austermann: Gemalte Ortsansichten 15
Annemarie Berlin: Reisefotografie 7
Claudia Bieber-Tuschen: Malerei nach Fotografie 6
Jutta Börste: Malerei und Holzskulpturen 13
Ursula Borchard: Pastellmalerei 3
Heribert Bröking: Holzskulpturen 10
Ruth Bröking: Holzskulpturen 10
Dieter Ebbing: Gartenskulpturen 17
Thomas Ernst: Airbrush 5
Gisela Eufe: Bronzeskulpturen 2
Antonia Euting: Feine Leinenhandarbeiten 7
Angelika Faust: Traditionelle Raku-Töpfertechnik 7
Manuela Frieling: Abstrakte Malerei in Öl und Acryl 7
Silke Gerkrath: Ölmalerei 5
Susanne Hagedorn-Menge: Trad. Raku-Töpfertechnik 7
Bärbel Heiliger: 10 Jahre Daruper Landpartie im Bild 15
Anne Heitplatz: Stimmungsvolle Malerei 9
Angela Hoebink: Traditionelle Raku-Töpfertechnik 7
Christin Hoeflich: Kinder- und Familienfotos 9
Conny Klein: Acrylmalerei 5
Renate Lobbe: Specksteinskulpturen 3
Gabriele Medding: Lederarbeiten und Stickereien 9
Otto Mertins: Bilder 14
Joschi Nausch: Malerei 10
Dietmar Ott: Gartenkunst aus Holz und Glas 1
Edith Peschel: Traditionelle Raku-Töpfertechnik 7
Franz-Josef Pittig: Malerei mit Tempera und Öl 6
Hildegard Potthoff: Malerei und Stabfiguren 10
Susanne Raasch: Filzobjekte-Unikate nass gefilzt 6
Rebekka Roters: Plastiken aus Beton 7
Rosi Roters: Figuren und Bilder aus Schwemmholz 7
Jana Schmidt: Öl- und Acrylmalerei 10
Susanne Schüren: Feine Gebrauchsgegenst. aus Ton 15
Angela Schulze: Skulpturen aus Eisenschrott 13
Anne Schulze-Wintzler: Acrylmalerei 5
Eva Stachelbeck: Traditionelle Raku-Töpfertechnik 7
Jürgen Stahl: Collagen und Schieferobjekte 10
Annette Staschke: Keramik 14
Barbara Streyl: Metallfiguren und Feuertonnen 14
Rosanne Telger: Malerei 10
Sylvia Trau: Fotocollagen und Zeichnungen 10
Bernd Ueding: Gartenplastiken aus Metall und Beton 8
Eva-Maria von Lilienfeld: Feine Papierarbeiten 10
Marie-Theres Westhoff: Acrylmalerei 11
Klaus Wethmar: Objekte und Skulpturen aus Holz 10
Irmgard Wissing: Weidenflechterei 17
Gerlind Wulf: Malerei 10
Luzia Zipperle: Abstrakte Werke und Collagen 5
Samstag, 20. August 2016
14 – 18 Uhr
Sonntag, 21. August 2016
11-18 Uhr
AUTOHAUS
GEHRMANN
GmbH
Rahmenprogramm
An beiden Tagen:
Der Naturpark Gerding ist während der
Landpartie ganztägig geöffnet (Führungen auf
Wunsch).
(Ort: 18 – Kapellenweg)
DieFreiwillige Feuerwehr präsentiert ihre Einsatzfahrzeuge
(Ort: 19 – Gerätehaus Coesfelder Straße)
Die Kutscher Heinz Gerding und Ludger Messing
fahren die Besucher zu den Ausstellungsorten.
3

Rahmenprogramm

Samstag, 20. August 2016
14 – 18 Uhr (an verschiedenen Orten)
Friedhelm Becker und der Historische Verein
Nottuln: „Hilfe, die Preußen sind unter uns“
15 Uhr (Ort: 5 – Kirche)
Förderverein Ss. Fabian u. Sebastian: Führung
15:30 Uhr (Ort: 5 – Kirche)
Einweihung der neuen Bänke an der Kirche
Sonntag, 21. August 2016
11 – 18 Uhr (an verschiedenen Orten)
Friedhelm Becker und der Historische Verein
Nottuln: „Hilfe, die Preußen sind unter uns“
12 – 14 Uhr (an verschiedenen Orten)
Der Fanfarenzug Buldern spielt in Darup
14:30 und 16:30 Uhr
(Ort: 10 – Naturschutzzentrum, großer Raum)
„Mit Bäumen kann man wie mit Brüdern reden“
– Texte von Klaus Wethmar, vorgetragen
von Hannes Demming (Regisseur und Schauspieler)
15 Uhr (Ort: 5 – Kirche)
Förderverein Ss. Fabian u. Sebastian: Führung
15:30 Uhr (Ort: 5 – Kirche)
Konzertante Kirche: Lisa Trentmann (Sopran),
Verena Schürmann (Orgel) – Werke von Haydn,
Fauré und Rutter
www.daruper-landpartie.de
www.FACEBOOK.com/DARUPERLANDPARTIE
Künstlerinnen und
Künstler bei der
10. Daruper Landpartie
2016
Marina Ackermann: Acrylbilder in Spachteltechnik 11
Marion Albrecht: Temperagouache-Malerei 8
Prof. Bernd Altenstein: Bronzeskulpturen 2
Martin Austermann: Gemalte Ortsansichten 15
Annemarie Berlin: Reisefotografie 7
Claudia Bieber-Tuschen: Malerei nach Fotografie 6
Jutta Börste: Malerei und Holzskulpturen 13
Ursula Borchard: Pastellmalerei 3
Heribert Bröking: Holzskulpturen 10
Ruth Bröking: Holzskulpturen 10
Dieter Ebbing: Gartenskulpturen 17
Thomas Ernst: Airbrush 5
Gisela Eufe: Bronzeskulpturen 2
Antonia Euting: Feine Leinenhandarbeiten 7
Angelika Faust: Traditionelle Raku-Töpfertechnik 7
Manuela Frieling: Abstrakte Malerei in Öl und Acryl 7
Silke Gerkrath: Ölmalerei 5
Susanne Hagedorn-Menge: Trad. Raku-Töpfertechnik 7
Bärbel Heiliger: 10 Jahre Daruper Landpartie im Bild 15
Anne Heitplatz: Stimmungsvolle Malerei 9
Angela Hoebink: Traditionelle Raku-Töpfertechnik 7
Christin Hoeflich: Kinder- und Familienfotos 9
Conny Klein: Acrylmalerei 5
Renate Lobbe: Specksteinskulpturen 3
Gabriele Medding: Lederarbeiten und Stickereien 9
Otto Mertins: Bilder 14
Joschi Nausch: Malerei 10
Dietmar Ott: Gartenkunst aus Holz und Glas 1
Edith Peschel: Traditionelle Raku-Töpfertechnik 7
Franz-Josef Pittig: Malerei mit Tempera und Öl 6
Hildegard Potthoff: Malerei und Stabfiguren 10
Susanne Raasch: Filzobjekte-Unikate nass gefilzt 6
Rebekka Roters: Plastiken aus Beton 7
Rosi Roters: Figuren und Bilder aus Schwemmholz 7
Jana Schmidt: Öl- und Acrylmalerei 10
Susanne Schüren: Feine Gebrauchsgegenst. aus Ton 15
Angela Schulze: Skulpturen aus Eisenschrott 13
Anne Schulze-Wintzler: Acrylmalerei 5
Eva Stachelbeck: Traditionelle Raku-Töpfertechnik 7
Jürgen Stahl: Collagen und Schieferobjekte 10
Annette Staschke: Keramik 14
Barbara Streyl: Metallfiguren und Feuertonnen 14
Rosanne Telger: Malerei 10
Sylvia Trau: Fotocollagen und Zeichnungen 10
Bernd Ueding: Gartenplastiken aus Metall und Beton 8
Eva-Maria von Lilienfeld: Feine Papierarbeiten 10
Marie-Theres Westhoff: Acrylmalerei 11
Klaus Wethmar: Objekte und Skulpturen aus Holz 10
Irmgard Wissing: Weidenflechterei 17
Gerlind Wulf: Malerei 10
Luzia Zipperle: Abstrakte Werke und Collagen 5

Samstag, 20. August 2016

Hinkley Point: Großbritanniens AKW-Neubau

Das Atomkraftwerk Hinkley Point befindet sich im britischen Somerset, an der Südwestküste Englands. Dort sind heute zwei Reaktorblöcke mit insgesamt ca. 840 Megawatt (MW) Leistung in Betrieb. Der Betreiber plant unter dem Namen Hinkley Point C zwei weitere Reaktorblöcke. Die beiden Druckwasserreaktoren sollen gemeinsam eine Leistung von 3.260 MW erbringen. Hinter den Neubauplänen steht ein Betreiber-Konsortium unter der Führung des französischen Staatskonzerns Électricité de France (EdF), dem außerdem die französische Firma Areva sowie die chinesischen Unternehmen China National Nuclear Corporation und der Guangdong Nuclear Power Corporation Holding angehören. Im März 2013 hat die britische Regierung die Baugenehmigung für die beiden neuen Reaktoren erteilt. Der AKW-Neubau Hinkley Point C ist Europas größtes staatlich gestütztes Infrastrukturvorhaben.
Beispiellose Atom-Subventionen
Da der AKW-Neubau in Hinkley Point ein wichtiges energiepolitisches Ziel der Regierung unter Premier David Cameron ist, war diese bereit, die EdF bei dem Projekt zu unterstützen. Im Oktober 2013 unterzeichneten die EdF und die britische Regierung einen Vertrag, in dem dem Betreiber-Konsortium von Hinkley Point C eine Reihe staatlicher Fördermaßnahmen für den Bau der Reaktoren zugesichert werden:
• Die für den Bau der Reaktoren notwendigen Kredite in Höhe von rund 21,6 Mrd. Euro werden vollständig durch staatliche Bürgschaften abgesichert. Insgesamt werden die Baukosten des Projekts auf ca. 31,2 Mrd. Euro geschätzt.
• Darüber hinaus wird es eine garantierte Vergütung für den Strom aus Hinkley Point C geben. Mit dieser Preisförderungsmaßnahme sichert die britische Regierung der EdF über 35 Jahre die Abnahme des Atomstroms zu einem Preis von umgerechnet 11 Cent pro Kilowattstunde (kWh) zu. Dieser Preis ist nicht fix, sondern wird dabei die 35-jährige Laufzeit an die Inflation angepasst, sodass die Vergütung für die EdF über den Förderzeitraum deutlich zunehmen wird. Nach Berechnungen der Financial Times ergibt sich so bereits bei einer relativ moderaten Inflationsannahme von 2 Prozent im letzten Förderjahr eine Vergütung von sagenhaften 35 Cent pro Kilowattstunde für die EdF. Das entspricht etwa dem 10-fachen des derzeitigen Strompreises an der Leipziger Börse.
Zum Vergleich: Eine große Photovoltaik-Anlage in der Bundesrepublik bekommt heute über das Erneuerbare-Energien-Gesetz eine Vergütung von etwa 8,9 Cent/kWh, die jedoch nur über 20 Jahre und ohne Inflationsausgleich gezahlt wird (siehe Grafik).

• Sollte das Atomkraftwerk Hinkley Point C aufgrund von Marktumständen gedrosselt oder gar abgeschaltet werden müssen, soll EdF für den entgangenen Ertragsausfall durch Großbritannien finanziell entschädigt werden. Träte dieser Fall ein, müssten die britischen Steuerzahler einspringen und die Entlohnung der EdF sicherstellen.
• Schließlich soll die Regierung Cameron der EdF angeblich sogar einen Schutz des Projektes vor bestimmten gesetzlichen oder regulativen Änderungen zugesagt haben. Öffentlich sind hierzu jedoch derzeit keine Einzelheiten bekannt.
• Detaillierte Regelungen über eine mögliche Kostenbeteiligung der EdF an der Entsorgung des entstehenden Atommülls wurden hingegen nicht getroffen. Hierzu gibt es keine Absprachen in dem Vertrag.
Diese Fördermaßnahmen sind eine zentrale Voraussetzung für die Machbarkeit des Atom-Projekts: Unter den üblichen Marktbedingungen wäre der Neubau der Reaktoren völlig unrentabel. Der Betreiber EdF machte daher in den Verhandlungen mit der britischen Regierung den Bau des AKWs abhängig von der Realisierung der staatlichen Fördermaßnahmen.

Kehrtwende in Brüssel
Eine solche Begünstigung eines einzelnen Projektes muss allerdings von der Europäischen Kommission genehmigt werden. Grundsätzlich verbietet das europäischen Wettbewerbsrecht solche staatlichen Beihilfemaßnahmen; nur in Ausnahmefällen, etwa wenn die Maßnahmen ein gemeinsames Interesse der EU darstellen, sind sie zulässig. Der zuständige EU-Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia war zunächst nicht der Meinung, dass Hinkley Point C eine solche Ausnahme sein könnte. Noch im März 2014 kam die EU-Kommission in einer Stellungnahme zu dem Schluss, dass die Förderung für das AKW „den Wettbewerb erheblich (…) verfälschen und den Handel zwischen den Mitgliedsstaaten erheblich (…) beeinträchtigen“ könnten. Auch der deutsche Energiekommissar Günther Oettinger war skeptisch und nannte die Pläne „sowjetisch“. Doch nach monatelangen Verhandlungen änderte die Kommission überraschend ihre Meinung. Anfang Oktober entschied die EU-Kommission, dass die britischen Pläne mit dem EU-Beihilferecht vereinbar seien und genehmigte damit die Förderung des AKW-Neubaus. Die Entscheidung fiel dabei denkbar knapp aus: Während die Kommission sonst meist einstimmig entscheidet, wurde die Entscheidung über Hinkley Point mit nur 16 von 28 Stimmen gebilligt – nötig waren mindestens 15. Höchst pikant war zudem, dass dies eine der letzten Amtshandlungen der scheidenden EU-Kommission war. Nur wenige Wochen nach der Hinkley Point-Entscheidung wurde die neue Kommission und mit ihr eine neue Wettbewerbskommissarin eingesetzt: Almunias Nachfolgerin, die Dänin Margrethe Vestager, gilt als wesentlich atomkritischer als ihr Vorgänger. Unter ihr wären die Chancen auf eine Ausnahmegenehmigung für Hinkley Point wohl deutlich geringer gewesen.
Der Grund für die plötzliche Kehrtwende der Kommission lässt sich nur schwer erahnen. Vorausgegangen waren ihr zwar geringfügige Nachbesserungen der britischen Regierung an den Förderzusagen. Doch diese sind äußerst überschaubar und taugen kaum als Grund für die 180°-Wende der Kommission: So soll EdF für die Bürgschaften nun eine etwas höhere Gebühr zahlen und einen größeren Teil möglicher unerwarteter Gewinne an Großbritannien abgeben. Das Grundprinzip der Atomsubventionen bleibt damit unverändert. Laut einem Bericht des Handelsblattes sollen Angela Merkel und Sigmar Gabriel im Gegenzug für ihr „Ja“ zu den britischen Plänen von der EU-Kommission grünes Licht für die umstrittene Befreiung der deutschen Industrie von der EEG-Umlage bekommen haben.

Bundesregierung schweigt, Österreich klagt
Die Reaktionen der EU-Mitgliedstaaten waren verhalten. Die österreichische Regierung kündigte umgehend an, vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) gegen die Entscheidung klagen zu wollen. Der sozialdemokratische österreichische Bundeskanzler Werner Faymann sagte, sein Land wolle die Entscheidung auf keinen Fall akzeptieren.
Die deutsche Bundesregierung hingegen bleibt untätig. Kurz nach der Kommissions-Entscheidung kündigte ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums noch an, man werde sich die Entscheidung „sehr genau ansehen“. Ein Antrag der Grünen im Bundestag, die Bundesrepublik möge sich der Klage Österreichs anschließen oder selbst klagen, wurde vergangenen Oktober mit den Stimmen der schwarz-roten Koalition abgeschmettert. Zwei erneute Anträge der Linken und der Grünen im März 2015 führten zu einer Aussprache im Bundestag und endeten mit dem Beschluss, die Angelegenheit in die Ausschüsse zu überweisen.

Kosten-Kettenreaktion in Hinkley Point absehbar
Während im Vordergrund die politischen Debatten um Hinkley Point C geführt werden, steigen von der Öffentlichkeit weitgehend unbeachtet die Kosten für den AKW-Neubau bereits vor dessen Baubeginn dramatisch an. Sprach die britische Regierung zunächst von Gesamtkosten in Höhe von 18 Mrd. Euro, musste sie diese Summe mittlerweile schon auf rund 31 Mrd. Euro korrigieren – und damit beinahe eine Verdopplung der Kosten eingestehen. Das Betreiber-Konsortium sucht derweil bereits weitere solvente Geldgeber und ist angeblich in Gesprächen mit arabischen Investoren. Zudem droht Hinkley Point C ein ähnliches finanzielles Debakel wie bereits den Reaktor-Neubauprojekten im finnischen Olkiluoto und im französischen Flamanville.
Das französische Flamanville-3-AKW ist neben dem finnischen Projekt Olkiluoto-3 das „Vorzeigeprojekt“ für den Europäischen Druckwasserreaktor EPR des französischen Reaktorbauers Areva, das von Anbeginn an in massive technische und finanzielle Schwierigkeiten geriet – und jetzt trotzdem für das britische Atom-Projekt Hinkley Point C vorgesehen ist. Der französische Reaktor sollte 2012 zum Preis von 3,3 Milliarden Euro fertiggestellt werden – derzeit wird jedoch schon mit einer Verzögerung von fünf Jahren und einer Kostenüberschreitung von 5,2 Milliarden auf insgesamt 8,5 Milliarden Euro gerechnet. Eine Vielzahl von Baumängeln wurden am Projekt festgestellt: So hatten tragende Betonpfeiler Löcher, die Wände des Abklingbeckens für die Brennelemente waren fehlerhaft, mindestens ein Viertel der Verbindungen der Stahlauskleidung des äußeren Containments entsprach nicht dem vorgeschriebenen Standard und Risse im Beton-Fundament der Anlage führten zu einem mehrmonatigen Baustopp. Wie die französische Nuklearaufsicht Autorité de sûreté nucléaire (ASN) jüngst veröffentlichte, sind im Reaktordruckbehälter des Atom-Neubaus Flamanville-3 Risse und Kohlenstoff-Einschlüsse gefunden worden, wie sie zuletzt bei den mittlerweile zur Sicherheit vom Netz genommenen belgischen Reaktoren Doel-3 und Tihange-2 festgestellt wurden. Dass der AKW-Neubau in Flamanville jemals ans Netz gehen wird, halten Experten für unwahrscheinlich. Für Pierre-Franck Chevet, Chef der ASN, sind die Folgen klar: „Entweder gibt EDF das Projekt auf, oder der Druckbehälter wird ausgetauscht, was hohe Kosten und mehrere Jahre Verzögerung bedeutet.“ Die Nachricht sorgt nun für große Zweifel an der Finanzierbarkeit des Atomprojekts in Großbritannien und bei den chinesischen Investoren. 400 Projekt-Mitarbeitern droht, wie der Guardian jüngst berichtete, die Kündigung, weil die Planungsarbeiten praktisch abgeschlossen sind und EDF noch keine endgültige Entscheidung für oder gegen das Projekt getroffen hat.

Dammbruch für neue AKWs in Europa
Genau solchen desaströsen Nuklearbaustellen jedoch könnte die EU-Kommission nun erneuten Aufwind verschaffen. Denn mit ihrer Entscheidung zu Hinkley Point C schafft die Kommission einen beispiellosen Präzedenzfall, der geeignet ist, dem Neubau von AKWs in Europa Tür und Tor zu öffnen. Nach dem Vorbild Hinkley Point könnten nun weitere Neubauprojekte in ganz Europa vorangetrieben werden. Leidtragende sind die Bürgerinnen und Bürger, die nicht nur die exorbitanten Kosten, sondern auch die unkalkulierbaren Risiken der Atomtechnologie tragen müssen.

EWS reicht Beschwerde ein
Für die EWS Schönau ist die skandalöse Entscheidung der EU-Kommission nicht hinnehmbar. Daher haben die EWS nun Beschwerde bei der neuen Kommission eingereicht und diese aufgefordert, die Entscheidung ihrer Vorgänger rückgängig zu machen und den Beschluss zu Hinkley Point aufzuheben (hier können Sie die Beschwerdeschrift der EWS herunterladen). Das Recht, eine solche Beschwerde einzureichen, hat jede EU-Bürgerin und jeder EU-Bürger. Damit können wir die Klage der österreichischen Regierung flankieren und die Entscheidungsträger in Brüssel unter Druck setzen: Wenn sich möglichst viele Menschen der Beschwerde der EWS anschließen und öffentlich die Entscheidung der Kommission angreifen, können wir die skandalöse Atomförderung ins Wanken bringen. Gerade die geänderte politische Situation durch die neu zusammengesetzte Kommission gibt uns dabei eine echte Chance auf Erfolg. Machen Sie jetzt mit!
Übrigens: Eine Klage vor dem EuGH ist allein Mitgliedsstaaten der EU vorbehalten. Daher können weder die EWS als Energieversorger, noch Bürgerinnen und Bürger können daher selbst klagen oder sich der Klage Österreichs anschließen.

Jede EU-Bürgerin und jeder EU-Bürger kann Beschwerde einlegen

Eine Beschwerde direkt bei der EU-Kommission steht jeder EU-Bürgerin und jedem EU-Bürger offen. Die Beschwerde ist nicht mit Kosten verbunden, bedarf keines Rechtbeistands und wird an die Generalsekretärin der EU-Kommission gerichtet. Der DNR hat eine ausführliche Übersicht zur EU-Kommissions-Beschwerde bereitgestellt. Der einfachste Weg für Sie ist, sich schnell und unkompliziert unserer Beschwerde auf unserer Kampagnenseite anzuschließen oder den im Formular vorgegebenen Text anzupassen

Quelle: EWS Schönau, die Stromrebellen

 

Auszug aus
ENZYKLIKA
LAUDATO SI‘
VON
PAPST FRANZISKUS

ÜBER DIE SORGE FÜR DAS GEMEINSAME HAUS

Mein Aufruf
13. Die dringende Herausforderung, unser gemeinsames Haus zu schützen, schließt die Sorge ein, die gesamte Menschheitsfamilie in der Suche nach einer nachhaltigen und ganzheitlichen Entwicklung zu vereinen, denn wir wissen, dass sich die Dinge ändern können. Der Schöpfer verlässt uns nicht, niemals macht er in seinem Plan der Liebe einen Rückzieher, noch reut es ihn, uns erschaffen zu haben. Die Menschheit besitzt noch die Fähigkeit zusammenzuarbeiten, um unser gemeinsames Haus aufzubauen. Ich möchte allen, die in den verschiedensten Bereichen menschlichen Handelns daran arbeiten, den Schutz des Hauses, das wir miteinander teilen, zu gewährleisten, meine Anerkennung, meine Ermutigung und meinen Dank aussprechen. Besonderen Dank verdienen die, welche mit Nachdruck darum ringen, die dramatischen Folgen der Umweltzerstörung im Leben der Ärmsten der Welt zu lösen. Die jungen Menschen verlangen von uns eine Veränderung. Sie fragen sich, wie es möglich ist, den Aufbau einer besseren Zukunft anzustreben, ohne an die Umweltkrise und an die Leiden der Ausgeschlossenen zu denken.
14. Ich lade dringlich zu einem neuen Dialog ein über die Art und Weise, wie wir die Zukunft unseres Planeten gestalten. Wir brauchen ein Gespräch, das uns alle zusammenführt, denn die Herausforderung der Umweltsituation, die wir erleben, und ihre menschlichen Wurzeln interessieren und betreffen uns alle. Die weltweite ökologische Bewegung hat bereits einen langen und ereignisreichen Weg zurückgelegt und zahlreiche Bürgerverbände hervorgebracht, die der Sensibilisierung dienen. Leider pflegen viele Anstrengungen, konkrete Lösungen für die Umweltkrise zu suchen, vergeblich zu sein, nicht allein wegen der Ablehnung der Machthaber, sondern auch wegen der Interessenlosigkeit der anderen. Die Haltungen, welche – selbst unter den Gläubigen – die Lösungswege blockieren, reichen von der Leugnung des Problems bis zur Gleichgültigkeit, zur bequemen Resignation oder zum blinden Vertrauen auf die technischen Lösungen. Wir brauchen eine neue universale Solidarität. Wie die Bischöfe Südafrikas sagten, „bedarf es der Talente und des Engagements aller, um den – 7 – Alle können wir als Werkzeuge Gottes an der Bewahrung der Schöpfung mitarbeiten, ein jeder von seiner Kultur, seiner Erfahrung, seinen Initiativen und seinen Fähigkeiten aus. – 8 –
ERSTES KAPITEL
WAS UNSEREM HAUS WIDERFÄHRT
17. Die theologischen oder philosophischen Reflexionen über die Situation der Menschheit und der Welt können wie eine repetitive und abstrakte Botschaft klingen, wenn sie nicht von einer Gegenüberstellung mit dem aktuellen Kontext her neu vorgebracht werden, im Blick auf das, was dieser an noch nie Dagewesenem für die Geschichte der Menschheit enthält. Darum schlage ich vor, dass wir, bevor wir erkennen, wie der Glaube angesichts der Welt, zu der wir gehören, neue Beweggründe und Erfordernisse beisteuert, kurz bei einer Betrachtung dessen verweilen, was unserem gemeinsamen Haus widerfährt.
18. Die ständige Beschleunigung in den Veränderungen der Menschheit und des Planeten verbindet sich heute mit einer Intensivierung der Lebens- und Arbeitsrhythmen zu einem Phänomen, das einige als „rapidación“ bezeichnen. Wenn auch die Veränderung ein Teil der Dynamik der komplexen Systeme ist, steht doch die Geschwindigkeit, die das menschliche Handeln ihr heute aufzwingt, im Gegensatz zu der natürlichen Langsamkeit der biologischen Evolution. Hinzu kommt das Problem, dass die Ziele dieser schnellen und unablässigen Veränderung nicht unbedingt auf das Gemeinwohl und eine nachhaltige und ganzheitliche menschliche Entwicklung ausgerichtet sind. Die Veränderung ist etwas Wünschenswertes, wird aber beunruhigend, wenn sie sich in eine Verschlechterung der Welt und der Lebensqualität eines großen Teils der Menschheit verwandelt.
19. Nach einer Zeit irrationalen Vertrauens auf den Fortschritt und das menschliche Können tritt jetzt ein Teil der Gesellschaft in eine Phase stärkerer Bewusstheit ein. Es ist eine steigende Sensibilität für die Umwelt und die Pflege der Natur zu beobachten, und es wächst eine ehrliche, schmerzliche Besorgnis um das, was mit unserem Planeten geschieht. Wir geben einen – wenn auch sicherlich unvollständigen – Überblick über jene Fragen, die uns heute beunruhigen und die wir jetzt nicht mehr unter den Teppich kehren können. Das Ziel ist nicht, Informationen zu sammeln oder unsere Neugier zu befriedigen, sondern das, was der Welt widerfährt, schmerzlich zur Kenntnis zu nehmen, zu wagen, es in persönliches Leiden zu verwandeln, und so zu erkennen, welches der Beitrag ist, den jeder Einzelne leisten kann.
I. UMWELTVERSCHMUTZUNG UND KLIMAWANDEL
Verschmutzung, Abfall und Wegwerfkultur – 9 –
20. Es gibt Formen der Umweltverschmutzung, durch die die Menschen täglich geschädigt werden. Den Schadstoffen in der Luft ausgesetzt zu sein, erzeugt ein weites Spektrum von Wirkungen auf die Gesundheit – besonders der Ärmsten – und verursacht Millionen von vorzeitigen Todesfällen. Sie erkranken zum Beispiel durch das Einatmen erhöhter Dosen an Rauch von den Brennstoffen, die sie zum Kochen oder zum Heizen verwenden. Dazu kommt die Verschmutzung, die alle schädigt, aufgrund des Verkehrswesens und durch Industrieabgase, aufgrund von Deponien, in denen Substanzen gelagert werden, die zur Versauerung von Boden und Wasser beitragen, aufgrund von Düngemitteln, Insektiziden, Fungiziden, Herbiziden und Agrotoxiden allgemein. Eine mit dem Finanzwesen verknüpfte Technologie, die behauptet, die einzige Lösung der Probleme zu sein, ist in der Tat oft nicht fähig, das Geheimnis der vielfältigen Beziehungen zu sehen, die zwischen den Dingen bestehen, und löst deshalb manchmal ein Problem, indem sie andere schafft.
21. Wir müssen auch die Verschmutzung in Betracht ziehen, die durch Müll verursacht wird, einschließlich der gefährlichen Abfälle, die in verschiedenen Gegenden vorhanden sind. Pro Jahr werden hunderte Millionen Tonnen Müll produziert, von denen viele nicht biologisch abbaubar sind: Hausmüll und Gewerbeabfälle, Abbruchabfälle, klinische Abfälle, Elektronikschrott und Industrieabfälle, hochgradig toxische Abfälle und Atommüll. Die Erde, unser Haus, scheint sich immer mehr in eine unermessliche Mülldeponie zu verwandeln. An vielen Orten des Planeten trauern die alten Menschen den Landschaften anderer Zeiten nach, die jetzt von Abfällen überschwemmt werden. Sowohl die Industrieabfälle als auch die in den Städten und in der Landwirtschaft verwendeten chemischen Produkte können im Organismus der Bewohner der angrenzenden Gebiete den Effekt einer Bioakkumulation bewirken, der auch dann eintritt, wenn sich an einem Ort das Vorkommen eines toxischen Elements auf niedrigem Niveau hält. Häufig werden Maßnahmen erst dann ergriffen, wenn die Auswirkungen auf die Gesundheit der Menschen bereits irreversibel sind.
22. Diese Probleme sind eng mit der Wegwerfkultur verbunden, die sowohl die ausgeschlossenen Menschen betrifft als auch die Dinge, die sich rasch in Abfall verwandeln. Machen wir uns zum Beispiel bewusst, dass der größte Teil des Papiers, das produziert wird, verschwendet und nicht wiederverwertet wird. Es fällt uns schwer anzuerkennen, dass die Funktionsweise der natürlichen Ökosysteme vorbildlich ist: Die Pflanzen synthetisieren Nährstoffe für die Pflanzenfresser; diese ernähren ihrerseits die Fleischfresser, die bedeutende Mengen organischer Abfälle produzieren, welche Anlass zu neuem Pflanzenwuchs geben. Dagegen hat das Industriesystem am Ende des Zyklus von Produktion und Konsum keine Fähigkeit zur Übernahme und Wiederverwertung von Rückständen und Abfällen entwickelt. Noch ist es nicht gelungen, ein auf Kreislauf ausgerichtetes Produktionsmodell anzunehmen, das Ressourcen für alle – 10 –
und für die kommenden Generationen gewährleistet und das voraussetzt, den Gebrauch der nicht erneuerbaren Reserven aufs Äußerste zu beschränken, den Konsum zu mäßigen, die Effizienz der Ressourcennutzung maximal zu steigern und auf Wiederverwertung und Recycling zu setzen. Die Auseinandersetzung mit dieser Frage wäre ein Weg, der Wegwerfkultur entgegenzuwirken, die schließlich dem gesamten Planeten schadet. Wir stellen jedoch fest, dass die Fortschritte in diesem Sinn noch sehr gering sind.
Das Klima als gemeinsames Gut
23. Das Klima ist ein gemeinschaftliches Gut von allen und für alle. Es ist auf globaler Ebene ein kompliziertes System, das mit vielen wesentlichen Bedingungen für das menschliche Leben verbunden ist. Es besteht eine sehr starke wissenschaftliche Übereinstimmung darüber, dass wir uns in einer besorgniserregenden Erwärmung des Klimasystems befinden. In den letzten Jahrzehnten war diese Erwärmung von dem ständigen Anstieg des Meeresspiegels begleitet, und außerdem dürfte es schwierig sein, sie nicht mit der Zunahme extremer meteorologischer Ereignisse in Verbindung zu bringen, abgesehen davon, dass man nicht jedem besonderen Phänomen eine wissenschaftlich bestimmbare Ursache zuschreiben kann. Die Menschheit ist aufgerufen, sich der Notwendigkeit bewusst zu werden, Änderungen im Leben, in der Produktion und im Konsum vorzunehmen, um diese Erwärmung oder zumindest die menschlichen Ursachen, die sie hervorrufen und verschärfen, zu bekämpfen. Es stimmt, dass es noch andere Faktoren gibt (z. B. der Vulkanismus, die Änderungen der Erdumlaufbahn und der Erdrotationsachse, der Solarzyklus), doch zahlreiche wissenschaftliche Studien zeigen, dass der größte Teil der globalen Erwärmung der letzten Jahrzehnte auf die starke Konzentration von Treibhausgasen (Kohlendioxid, Methan, Stickstoffoxide und andere) zurückzuführen ist, die vor allem aufgrund des menschlichen Handelns ausgestoßen werden. Wenn sie sich in der Atmosphäre intensivieren, verhindern sie, dass die von der Erde reflektierte Wärme der Sonnenstrahlen sich im Weltraum verliert. Das wird besonders durch das Entwicklungsmodell gesteigert, das auf dem intensiven Gebrauch fossiler Kraftstoffe basiert, auf den das weltweite Energiesystem ausgerichtet ist. Auch die zunehmende Praxis einer veränderten Bodennutzung hat sich ausgewirkt, hauptsächlich die Abholzung der Wälder zugunsten der Landwirtschaft.
24. Die Erwärmung beeinflusst ihrerseits den Kohlenstoffkreislauf. Dadurch entsteht ein Teufelskreis, der die Situation weiter verschärft und der die Verfügbarkeit unerlässlicher Ressourcen wie das Trinkwasser, die Energie und die Agrarproduktion in den heißesten Zonen beeinträchtigen und das Aussterben eines Teils der biologischen Vielfalt des Planeten verursachen wird. Durch das – 11 –
Schmelzen des Polareises und der Hochgebirgsflächen droht eine sehr gefährliche Freisetzung von Methangas, und die Verwesung der tiefgefrorenen organischen Stoffe könnte die Ausströmung von Kohlendioxid noch weiter erhöhen. Das Verschwinden der tropischen Urwälder verschlechtert seinerseits die Lage, denn sie helfen ja, den Klimawandel abzuschwächen. Die durch das Kohlendioxid verursachte Verschmutzung erhöht den Säuregehalt der Ozeane und gefährdet die marine Nahrungskette. Wenn die augenblickliche Tendenz anhält, könnte dieses Jahrhundert Zeuge nie dagewesener klimatischer Veränderungen und einer beispiellosen Zerstörung der Ökosysteme werden, mit schweren Folgen für uns alle. Der Anstieg des Meeresspiegels, zum Beispiel, kann Situationen von äußerstem Ernst schaffen, wenn man bedenkt, dass ein Viertel der Weltbevölkerung unmittelbar oder sehr nahe am Meer lebt und der größte Teil der Megastädte sich in Küstengebieten befindet.
25. Der Klimawandel ist ein globales Problem mit schwerwiegenden Umwelt-Aspekten und ernsten sozialen, wirtschaftlichen, distributiven und politischen Dimensionen; sie stellt eine der wichtigsten aktuellen Herausforderungen an die Menschheit dar. Die schlimmsten Auswirkungen werden wahrscheinlich in den nächsten Jahrzehnten auf die Entwicklungsländer zukommen. Viele Arme leben in Gebieten, die besonders von Phänomenen heimgesucht werden, die mit der Erwärmung verbunden sind, und die Mittel für ihren Lebensunterhalt hängen stark von den natürlichen Reserven und den ökosystemischen Betrieben wie Landwirtschaft, Fischfang und Waldbestand ab. Sie betreiben keine anderen Finanzaktivitäten und besitzen keine anderen Ressourcen, die ihnen erlauben, sich den Klimaeinflüssen anzupassen oder Katastrophen die Stirn zu bieten, und sie haben kaum Zugang zu Sozialdiensten und Versicherung. So verursachen die klimatischen Veränderungen zum Beispiel Migrationen von Tieren und Pflanzen, die sich nicht immer anpassen können, und das schädigt wiederum die Produktionsquellen der Ärmsten, die sich ebenfalls genötigt sehen abzuwandern, mit großer Ungewissheit im Hinblick auf ihre Zukunft und die ihrer Kinder. Tragisch ist die Zunahme der Migranten, die vor dem Elend flüchten, das durch die Umweltzerstörung immer schlimmer wird, und die in den internationalen Abkommen nicht als Flüchtlinge anerkannt werden; sie tragen die Last ihres Lebens in Verlassenheit und ohne jeden gesetzlichen Schutz. Leider herrscht eine allgemeine Gleichgültigkeit gegenüber diesen Tragödien, die sich gerade jetzt in bestimmten Teilen der Welt zutragen. Der Mangel an Reaktionen angesichts dieser Dramen unserer Brüder und Schwestern ist ein Zeichen für den Verlust jenes Verantwortungsgefühls für unsere Mitmenschen, auf das sich jede zivile Gesellschaft gründet.
26. Viele von denen, die mehr Ressourcen und ökonomische oder politische Macht besitzen, scheinen sich vor allem darauf zu konzentrieren, die Probleme zu verschleiern oder ihre Symptome zu verbergen, und sie versuchen nur, einige negative Auswirkungen des Klimawandels zu reduzieren.

Wieder Krieg in Europa?
Nicht in unserem Namen!

Niemand will Krieg. Aber Nordamerika, die Europäische Union und Russland treiben unausweichlich auf ihn zu, wenn sie der unheilvollen Spirale aus Drohung und Gegendrohung nicht endlich Einhalt gebieten. Alle Europäer, Russland eingeschlossen, tragen gemeinsam die Verantwortung für Frieden und Sicherheit. Nur wer dieses Ziel nicht aus den Augen verliert, vermeidet Irrwege.

Der Ukraine-Konflikt zeigt: Die Sucht nach Macht und Vorherrschaft ist nicht überwunden. 1990, am Ende des Kalten Krieges, durften wir alle darauf hoffen. Aber die Erfolge der Entspannungspolitik und der friedlichen Revolutionen haben schläfrig und unvorsichtig gemacht. In Ost und West gleichermaßen. Bei Amerikanern, Europäern und Russen ist der Leitgedanke, Krieg aus ihrem Verhältnis dauerhaft zu verbannen, verloren gegangen. Anders ist die für Russland bedrohlich wirkende Ausdehnung des Westens nach Osten ohne gleichzeitige Vertiefung der Zusammenarbeit mit Moskau, wie auch die völkerrechtswidrige Annexion der Krim durch Putin, nicht zu erklären.

In diesem Moment großer Gefahr für den Kontinent trägt Deutschland besondere Verantwortung für die Bewahrung des Friedens. Ohne die Versöhnungsbereitschaft der Menschen Russlands, ohne die Weitsicht von Michael Gorbatschow, ohne die Unterstützung unserer westlichen Verbündeten und ohne das umsichtige Handeln der damaligen Bundesregierung wäre die Spaltung Europas nicht überwunden worden. Die deutsche Einheit friedlich zu ermöglichen, war eine große, von Vernunft geprägte Geste der Siegermächte. Eine Entscheidung von historischer Dimension. Aus der überwundenen Teilung sollte eine tragfähige europäische Friedens- und Sicherheitsordnung von Vancouver bis Wladiwostok erwachsen, wie sie von allen 35 Staats- und Regierungschefs der KSZE-Mitgliedsstaaten im November 1990 in der „Pariser Charta für ein neues Europa“ vereinbart worden war. Auf der Grundlage gemeinsam festgelegter Prinzipien und erster konkreter Maßnahmen sollte ein „Gemeinsames Europäisches Haus“ errichtet werden, in dem alle beteiligten Staaten gleiche Sicherheit erfahren sollten. Dieses Ziel der Nachkriegspolitik ist bis heute nicht eingelöst. Die Menschen in Europa müssen wieder Angst haben.

Wir, die Unterzeichner, appellieren an die Bundesregierung, ihrer Verantwortung für den Frieden in Europa gerecht zu werden. Wir brauchen eine neue Entspannungspolitik für Europa. Das geht nur auf der Grundlage gleicher Sicherheit für alle und mit gleichberechtigten, gegenseitig geachteten Partnern. Die deutsche Regierung geht keinen Sonderweg, wenn sie in dieser verfahrenen Situation auch weiterhin zur Besonnenheit und zum Dialog mit Russland aufruft. Das Sicherheitsbedürfnis der Russen ist so legitim und ausgeprägt wie das der Deutschen, der Polen, der Balten und der Ukrainer.

Wir dürfen Russland nicht aus Europa hinausdrängen. Das wäre unhistorisch, unvernünftig und gefährlich für den Frieden. Seit dem Wiener Kongress 1814 gehört Russland zu den anerkannten Gestaltungsmächten Europas. Alle, die versucht haben, das gewaltsam zu ändern, sind blutig gescheitert – zuletzt das größenwahnsinnige Hitler-Deutschland, das 1941 mordend auszog, auch Russland zu unterwerfen.

Wir appellieren an die Abgeordneten des Deutschen Bundestages, als vom Volk beauftragte Politiker, dem Ernst der Situation gerecht zu werden und aufmerksam auch über die Friedenspflicht der Bundesregierung zu wachen. Wer nur Feindbilder aufbaut und mit einseitigen Schuldzuweisungen hantiert, verschärft die Spannungen in einer Zeit, in der die Signale auf Entspannung stehen müssten. Einbinden statt ausschließen muss das Leitmotiv deutscher Politiker sein.

Wir appellieren an die Medien, ihrer Pflicht zur vorurteilsfreien Berichterstattung überzeugender nachzukommen als bisher. Leitartikler und Kommentatoren dämonisieren ganze Völker, ohne deren Geschichte ausreichend zu würdigen. Jeder außenpolitisch versierte Journalist wird die Furcht der Russen verstehen, seit NATO-Mitglieder 2008 Georgien und die Ukraine einluden, Mitglieder im Bündnis zu werden. Es geht nicht um Putin. Staatenlenker kommen und gehen. Es geht um Europa. Es geht darum, den Menschen wieder die Angst vor Krieg zu nehmen. Dazu kann eine verantwortungsvolle, auf soliden Recherchen basierende Berichterstattung eine Menge beitragen.

Am 3. Oktober 1990, am Tag der Deutschen Einheit, sagte Bundespräsident Richard von Weizsäcker: „Der Kalte Krieg ist überwunden. Freiheit und Demokratie haben sich bald in allen Staaten durchgesetzt. … Nun können sie ihre Beziehungen so verdichten und institutionell absichern, dass daraus erstmals eine gemeinsame Lebens- und Friedensordnung werden kann. Für die Völker Europas beginnt damit ein grundlegend neues Kapitel in ihrer Geschichte. Sein Ziel ist eine gesamteuropäische Einigung. Es ist ein gewaltiges Ziel. Wir können es erreichen, aber wir können es auch verfehlen. Wir stehen vor der klaren Alternative, Europa zu einigen oder gemäß leidvollen historischen Beispielen wieder in nationalistische Gegensätze zurückzufallen.“

Bis zum Ukraine-Konflikt wähnten wir uns in Europa auf dem richtigen Weg. Richard von Weizsäckers Mahnung ist heute, ein Vierteljahrhundert später, aktueller denn je.

Die Unterzeichner

Mario Adorf, Schauspieler
Robert Antretter (Bundestagsabgeordneter a. D.)
Prof. Dr. Wilfried Bergmann (Vize – Präsident der Alma Mater Europaea)
Luitpold Prinz von Bayern (Königliche Holding und Lizenz KG)
Achim von Borries (Regisseur und Drehbuchautor)
Klaus Maria Brandauer (Schauspieler, Regisseur)
Dr. Eckhard Cordes (Vorsitzender Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft)
Prof. Dr. Herta Däubler-Gmelin (Bundesministerin der Justiz a.D.)
Eberhard Diepgen (ehemaliger Regierender Bürgermeister von Berlin)
Dr. Klaus von Dohnanyi (Erster Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg)
Alexander van Dülmen (Vorstand A-Company Filmed Entertainment AG)
Stefan Dürr (Geschäftsführender Gesellschafter und CEO Ekosem-Agrar GmbH)
Dr. Erhard Eppler (Bundesminister für Entwicklung und Zusammenarbeit a.D.)
Prof. Dr. Dr. Heino Falcke (Propst i.R.)
Prof. Hans-Joachim Frey (Vorstandsvorsitzender Semper Opernball Dresden)
Pater Anselm Grün (Pater)
Sibylle Havemann (Berlin)
Dr. Roman Herzog (Bundespräsident a.D.)
Christoph Hein (Schriftsteller)
Dr. Dr. h.c. Burkhard Hirsch (Bundestagsvizepräsident a.D.)
Volker Hörner (Akademiedirektor i.R.)
Josef Jacobi (Biobauer)
Dr. Sigmund Jähn (ehemaliger Raumfahrer)
Uli Jörges (Journalist)
Prof. Dr. Dr. h.c. Margot Käßmann (ehemalige EKD Ratsvorsitzende und Bischöfin)
Dr. Andrea von Knoop (Moskau)
Prof. Dr. Gabriele Krone-Schmalz (ehemalige Korrespondentin der ARD in Moskau)
Friedrich Küppersbusch (Journalist)
Vera Gräfin von Lehndorff (Künstlerin)
Irina Liebmann (Schriftstellerin)
Dr. h.c. Lothar de Maizière (Ministerpräsident a.D.)
Stephan Märki (Intendant des Theaters Bern)
Prof. Dr. Klaus Mangold (Chairman Mangold Consulting GmbH)
Reinhard und Hella Mey (Liedermacher)
Ruth Misselwitz (evangelische Pfarrerin Pankow)
Klaus Prömpers (Journalist)
Prof. Dr. Konrad Raiser (eh. Generalsekretär des Ökumenischen Weltrates der Kirchen)
Jim Rakete (Fotograf)
Gerhard Rein (Journalist)
Michael Röskau (Ministerialdirigent a.D.)
Eugen Ruge (Schriftsteller)
Dr. h.c. Otto Schily (Bundesminister des Inneren a.D)
Dr. h.c. Friedrich Schorlemmer (ev. Theologe, Bürgerrechtler)
Georg Schramm (Kabarettist)
Gerhard Schröder (Bundeskanzler a.D.)
Philipp von Schulthess (Schauspieler)
Ingo Schulze (Schriftsteller)
Hanna Schygulla (Schauspielerin, Sängerin)
Dr. Dieter Spöri (Wirtschaftsminister a.D.)
Prof. Dr. Fulbert Steffensky (kath. Theologe)
Dr. Wolf-D. Stelzner (geschäftsführender Gesellschafter: WDS-Institut für Analysen in Kulturen mbH)
Dr. Manfred Stolpe (Ministerpräsident a.D.)
Dr. Ernst-Jörg von Studnitz (Botschafter a.D.)
Prof. Dr. Walther Stützle (Staatssekretär der Verteidigung a.D.)
Prof. Dr. Christian R. Supthut (Vorstandsmitglied a.D. )
Prof. Dr. h.c. Horst Teltschik (ehemaliger Berater im Bundeskanzleramt für Sicherheit und Außenpolitik)
Andres Veiel (Regisseur)
Dr. Hans-Jochen Vogel (Bundesminister der Justiz a.D.)
Dr. Antje Vollmer (Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages a.D.)
Bärbel Wartenberg-Potter (Bischöfin Lübeck a.D.)
Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker (Wissenschaftler)
Wim Wenders (Regisseur)
Hans-Eckardt Wenzel (Liedermacher)
Klaus Wethmar sen.
Gerhard Wolf (Schriftsteller, Verleger)
PETITIONSBRIEF AN:
Bundesregierung, Abgeordnete, Medien
Sichern Sie den Frieden in Europa.
AKTUELLE NEWS
Petition gestartet 7. Dez. 2014

Wirtschaft und Verteilung der Einkünfte
202. Die Notwendigkeit, die strukturellen Ursachen der Armut zu beheben, kann nicht warten, nicht nur wegen eines pragmatischen Erfordernisses, Ergebnisse zu erzielen und die Gesellschaft zu ordnen, sondern um sie von einer Krankheit zu heilen, die sie anfällig und unwürdig werden lässt und sie nur in neue Krisen führen kann. Die Hilfsprojekte, die einigen dringlichen Erfordernissen begegnen, sollten nur als provisorische Maßnahmen angesehen werden. Solange die Probleme der Armen nicht von der Wurzel her gelöst werden, indem man auf die absolute Autonomie der Märkte und der Finanzspekulation verzichtet und die strukturellen Ursachen der Ungleichverteilung der Einkünfte in Angriff nimmt,[173] werden sich die Probleme der Welt nicht lösen und kann letztlich überhaupt kein Problem gelöst werden. Die Ungleichverteilung der Einkünfte ist die Wurzel der sozialen Übel.
203. Die Würde jedes Menschen und das Gemeinwohl sind Fragen, die die gesamte Wirtschaftspolitik strukturieren müssten, doch manchmal scheinen sie von außen hinzugefügte Anhänge zu sein, um eine politische Rede zu vervollständigen, ohne Perspektiven oder Programme für eine wirklich ganzheitliche Entwicklung. Wie viele Worte sind diesem System unbequem geworden! Es ist lästig, wenn man von Ethik spricht, es ist lästig, dass man von weltweiter Solidarität spricht, es ist lästig, wenn man von einer Verteilung der Güter spricht, es ist lästig, wenn man davon spricht, die Arbeitsplätze zu verteidigen, es ist lästig, wenn man von der Würde der Schwachen spricht, es ist lästig, wenn man von einem Gott spricht, der einen Einsatz für die Gerechtigkeit fordert. Andere Male geschieht es, dass diese Worte Gegenstand einer opportunistischen Manipulation werden, die sie entehrt. Die bequeme Gleichgültigkeit gegenüber diesen Fragen entleert unser Leben und unsere Worte jeglicher Bedeutung. Die Tätigkeit eines Unternehmers ist eine edle Arbeit, vorausgesetzt, dass er sich von einer umfassenderen Bedeutung des Lebens hinterfragen lässt; das ermöglicht ihm, mit seinem Bemühen, die Güter dieser Welt zu mehren und für alle zugänglicher zu machen, wirklich dem Gemeinwohl zu dienen.
204. Wir dürfen nicht mehr auf die blinden Kräfte und die unsichtbare Hand des Marktes vertrauen. Das Wachstum in Gerechtigkeit erfordert etwas, das mehr ist als Wirtschaftswachstum, auch wenn es dieses voraussetzt; es verlangt Entscheidungen, Programme, Mechanismen und Prozesse, die ganz spezifisch ausgerichtet sind auf eine bessere Verteilung der Einkünfte, auf die Schaffung von Arbeitsmöglichkeiten und auf eine ganzheitliche Förderung der Armen, die mehr ist als das bloße Sozialhilfesystem. Es liegt mir völlig fern, einen unverantwortlichen Populismus vorzuschlagen, aber die Wirtschaft darf nicht mehr auf „Heilmittel“ zurückgreifen, die ein neues Gift sind, wie wenn man sich einbildet, die Ertragsfähigkeit zu steigern, indem man den Arbeitsmarkt einschränkt und auf diese Weise neue Ausgeschlossene schafft.
205. Ich bitte Gott, dass die Zahl der Politiker zunimmt, die fähig sind, in einen echten Dialog einzusteigen, der sich wirksam darauf ausrichtet, die tiefen Wurzeln und nicht den äußeren Anschein der Übel unserer Welt zu heilen! Die so in Misskredit gebrachte Politik ist eine sehr hohe Berufung, ist eine der wertvollsten Formen der Nächstenliebe, weil sie das Gemeinwohl anstrebt.[174] Wir müssen uns davon überzeugen, dass die Liebe » das Prinzip nicht nur der Mikro-Beziehungen – in Freundschaft, Familie und kleinen Gruppen – [ist], sondern auch der Makro-Beziehungen – in gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Zusammenhängen «.[175] Ich bete zum Herrn, dass er uns mehr Politiker schenke, denen die Gesellschaft, das Volk, das Leben der Armen wirklich am Herzen liegt! Es ist unerlässlich, dass die Regierenden und die Finanzmacht den Blick erheben und ihre Perspektiven erweitern, dass sie dafür sorgen, dass es für alle Bürger eine würdevolle Arbeit sowie Zugang zum Bildungs- und zum Gesundheitswesen gibt. Und warum sollte man sich nicht an Gott wenden, damit er ihre Pläne inspiriert? Ich bin überzeugt, dass sich von einer Öffnung für die Transzendenz her eine neue politische und wirtschaftliche Mentalität bilden könnte, die helfen würde, die absolute Dichotomie zwischen Wirtschaft und Gemeinwohl zu überwinden.
206. Die Wirtschaft müsste, wie das griechische Wort oikonomía – Ökonomie – sagt, die Kunst sein, eine angemessene Verwaltung des gemeinsamen Hauses zu erreichen, und dieses Haus ist die ganze Welt. Jede wirtschaftliche Unternehmung von einer gewissen Tragweite, die in einem Teil des Planeten durchgeführt wird, wirkt sich auf das Ganze aus. Darum kann keine Regierung außerhalb einer gemeinsamen Verantwortung handeln. Tatsächlich wird es immer schwieriger, auf lokaler Ebene Lösungen für die enormen globalen Widersprüche zu finden, weshalb die örtliche Politik mit zu lösenden Problemen überhäuft wird. Wenn wir wirklich eine gesunde Weltwirtschaft erreichen wollen, bedarf es in dieser geschichtlichen Phase einer effizienteren Art der Interaktion, die bei voller Berücksichtigung der Souveränität der Nationen den wirtschaftlichen Wohlstand aller und nicht nur einiger Länder sichert.
207. Jede beliebige Gemeinschaft in der Kirche, die beansprucht, in ihrer Ruhe zu verharren, ohne sich kreativ darum zu kümmern und wirksam daran mitzuarbeiten, dass die Armen in Würde leben können und niemand ausgeschlossen wird, läuft die Gefahr der Auflösung, auch wenn sie über soziale Themen spricht und die Regierungen kritisiert. Sie wird schließlich leicht in einer mit religiösen Übungen, unfruchtbaren Versammlungen und leeren Reden heuchlerisch verborgenen spirituellen Weltlichkeit untergehen.
208. Falls jemand sich durch meine Worte beleidigt fühlt, versichere ich ihm, dass ich sie mit Liebe und in bester Absicht sage, weit entfernt von jedem persönlichen Interesse oder einer politischen Ideologie. Mein Wort ist nicht das eines Feindes, noch das eines Gegners. Es geht mir einzig darum, dafür zu sorgen, dass diejenigen, die Sklaven einer individualistischen, gleichgültigen und egoistischen Mentalität sind, sich von jenen unwürdigen Fesseln befreien und eine Art zu leben und zu denken erreichen können, die menschlicher, edler und fruchtbarer ist und ihrer Erdenwanderung Würde verleiht.

Papst Franziskus 25. November 2013